Auch in diesem Jahr, am 27. Februar 2019, war Frau Vidláková in unserer Schule,
um den Neuntklässlern von ihrer Kindheit unter der NS-Diktatur und der schrecklichen Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt (im heutigen Tschechien) zu berichten. Mithilfe einer Präsentation veranschaulicht Frau Vidlakova ihre Berichte. Sie zeigt auch viele private Familienfotos.
Jakub Litka aus der Klasse 9b durfte ihr schon vor der Veranstaltung Fragen stellen und neben ihr auf dem Podium sitzen. Frau Vidláková und Jakub konnten sich in Tschechisch und Polnisch verständigen und verstanden sich gut.
Michaela Vidláková, geb. Lauscherova, wurde am 30.12.1936 in Prag in eine jüdische Familie hineingeboren. Im Dezember 1942 wurden ihr Vater, ihre Mutter und die sechsjährige Michaela nach Theresienstadt deportiert. Auf Jakubs Frage, wie sie dort hingekommen sei, antwortet Frau Vidláková – humorvoll wie immer – „mit dem Zug“. Das hört sich harmlos an, aber im weiteren Gespräch berichtet sie über die Gräuel während der Nazizeit und der Inhaftierung im Konzentrationslager Theresienstadt.
Im Lager wollten die Erwachsenen die Kinder retten und bevorzugten sie bei der Essenszuteilung. Die Kinder bekamen etwas mehr Verpflegung, aber trotzdem litt die kleine Michaela ständig an Hunger. Am meisten Mitleid, hatte sie mit den alten Menschen, die neben der Schlange bei den Essensausgaben standen und um Suppe bettelten. Sie wusste nie, wem sie etwas abgeben sollte. In ihren Albträumen sah sie immer die Gesichter und großen Augen dieser gequälten Menschen.
Michaela Vidláková kam in Theresienstadt zunächst ins Kinderheim. Dort hatten die Kinder heimlich Schulunterricht. Sie musste ein Jahr im Infektionskrankenhaus liegen und drei schwere Erkrankungen überleben. Ihre Eltern durften sie nicht besuchen. Dort freundete sie sich mit einem Jungen aus Berlin an. Von ihm lernte sie Deutsch.
Nur durch Zufall überlebte die Familie. Michaela Vidlákovás Vater sollte noch kurz vor Ende des Krieges ins Vernichtungslager deportiert werden. Aber eine Baracke in Theresienstadt musste repariert werden und ihr Vater wurde als Tischler auf dieser Baustelle eingesetzt. Michaela Vidlaková ist eine der wenigen Theresienstädter Kinder, die den Holocaust überlebt haben. Erst nach dem Krieg konnte sie dauerhaft die Schule besuchen. Später besuchte sie das Gymnasium und studierte Naturwissenschaften an der Karls-Universität in Prag.
Fragen der Klasse 9b an Frau Vidláková:
Wie reagieren Sie heute auf Neonazis oder allgemein auf rassistische Aussagen?
„Ich glaube, sie wissen nicht worüber sie sprechen…Auch die Neonazis könnten einmal Opfer eines Hassausbrechens werden. Die Menschen sollen…tolerant sein.“
Woran denken Sie heute, wen Sie nach Deutschland zurückkehren?
„Ich denke daran, dass es heute eine andere Generation ist und ich hoffe, es sind da keine weiteren Mengeles* unter euch, die so rücksichtslos töten werden. Ich habe heute gute Freunde in Deutschland. Ich glaube inzwischen hat sich so manches geändert.“
„Warum erzähle ich darüber. Ein deutscher Schriftsteller hat gesagt, man soll sich erinnern, damit es sich nicht wiederholt. Es genügt gar nicht, wenn man sich nur erinnert.“
Dann zitiert Frau Vidlákováein Gedicht der Krankenschwester Ilse Weber, die 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde:
„Schluck runter die Tränen, verbeiß deinen Schmerz, hör nicht auf das Schimpfen und Schmähen. Dein Wille jedoch sei hart wie das Erz, die Not zu überstehen. Denn alles wird gut, denn alles wird gut. Ertrage du nicht das Warten. Vertraue der Zukunft. Verlier nicht den Mut. Die Welt wird wieder zum Garten.
Dann endet die Zwietracht, der Hass, die Gier und alles Leid hat ein Ende. Dann sagt dein Feind: Bruder Mensch zu dir und reicht beschämt dir die Hände. Denn alles wird gut, denn alles wird gut. Ertrage du nicht das Warten. Vertraue der Zukunft. Verlier nicht den Mut. Die Welt wird wieder zum Garten.“
„Das ist noch bis heute gültig, verliert nicht die Hoffnung in die Zukunft. Die beiden Worte Bruder Mensch sind wichtig…“
Menschlichkeit und Versöhnung stehen für sie an erster Stelle. Das zeigen diese Abschiedsworte von Frau Vidláková.
Die Schüler, die Schulleitung und die Lehrer der Realschule Maschstraße bedanken sich bei Frau Vidláková für ihren Besuch und ihre bewegenden Augenzeugenberichte.
Bild und Text: Jakub Litka (9b), Frau Pranger Schuljahr 2018/19